Wie gehen unsere unabhängigen Rechtsberater*innen mit um Asyl ansuchenden Menschen um, die ein Verbrechen begangen haben? Was tun sie, wenn Menschen keine Chance haben im Land zu bleiben und trotzdem alles versuchen wollen? Wir haben Rechtsberater Rupert S. befragt.
Die Häftlinge der Justizanstalt Graz-Karlau sind wegen unterschiedlicher Delikte hier. Schwerer Raub, Diebstahl, Gewalttaten. Rupert Strohmeier vom Geschäftsbereich Rechtsberatung sitzt einem Häftling gegenüber. Er berät den Mann in klaren, einfachen Worten. Eine Dolmetscherin ist per Video zugeschaltet.
Rupert klärt den Häftling über den Bescheid auf, den er erhalten hat. In diesem steht, dass der Mann in sein Herkunftsland zurück muss. Rupert informiert den Mann genau. Er sagt, dass eine Beschwerde möglich wäre, aber wenig Chancen hätte.
Die Art des Deliktes hat zwar Einfluss auf die Beratung und ist verfahrenstechnisch wichtig, „aber ich begegne jeder Person mit der gleichen Aufmerksamkeit, unabhängig vom bestehenden Sachverhalt. Auch eine Schwerverbrecherin oder ein Schwerverbrecher hat das Anrecht auf eine ehrliche, faire Rechtsberatung und – sofern sie das möchte – auf eine Beschwerde. Es ist nicht unsere Aufgabe, über Menschen zu urteilen.“
Es wäre, so Rupert, mit den Häftlingen in gewissem Sinne sogar leichter. „Wir hören ihnen zu und sind oft die einzigen, mit denen sie reden können. Gleichzeitig ist ihnen klar, dass sie etwas falsch gemacht haben und ihnen eine Abschiebung bevorsteht. Dadurch sind sie in gewisser Weise ruhiger und nehmen das Gespräch besser auf.“
„Es ist nicht unsere Aufgabe, über Menschen zu urteilen.“
Schwieriger ist es für Rupert mit Menschen, die eine klare Erwartungshaltung haben und mit den Worten „Ich will eine Beschwerde“ das Gespräch beginnen. Auch dann versucht Rupert darzustellen, weshalb sie erfolgreich sein könnte – oder eben nicht. „Bei mir waren zum Beispiel zwei Männer aus China und der Grund, warum sie nach Österreich gekommen sind, war eindeutig ein wirtschaftlicher. Ich habe Verständnis für ihre Situation entgegengebracht, ihnen aber dargelegt, wie das Asylsystem in Österreich funktioniert und dass die Erfolgschancen einer Beschwerde gering sind.“
Verständnis zeigen und gleichzeitig die konkreten Tatsachen nicht verschweigen – das ist es wohl, wie die Mission in dieser Situation aufrecht zu erhalten ist. Zusätzlich gilt es, jede Person zu informieren. Was bedeuten Schubhaft, ein negativer Bescheid oder eine Abschiebung. Welche Rechtsmittel gibt es? Wie kann man weiter vorgehen – und macht es überhaupt Sinn?
Es gibt auch Klient*innen, die falsche Angaben in Erwägung ziehen. Was dann? Rupert: „Ich verdeutliche, dass die Glaubwürdigkeit gering ist, nachdem sie Argumente plötzlich aufbringen und erkläre, dass genau kontrolliert und nachgefragt wird. Ich kann sie aber nicht zwingen, es nicht zu tun, letztendlich entscheidet die/der Klient*in.“
Dasselbe gilt für eine Beschwerde: Egal ob sie aussichtslos ist oder nicht, die Entscheidung trägt die/der Klient*in. Bei der Verhandlung ist dann eine andere Kollegin oder ein anderer Kollege dabei. „Die Beratung ist ja am Wohnsitz der Klientin oder des Klienten, für die Verhandlung ist aber ein anderer Ort zuständig, z. B. Graz, Wien oder Innsbruck. Das übernehmen dann die Kolleg*innen dieser Geschäftsstelle.“
Wichtig ist daher eine genaue Dokumentation. Sie enthält auch Informationen über die Klient*innen, etwa ob sie/er depressiv wirkt. Auch die Verhandlung wird genau dokumentiert. So weiß der/die Kolleg*in, die/der das Folgegespräch führt, über den Verhandlungsablauf Bescheid.
Eine negative Erkenntnis löst selbstverständlich keine Begeisterung aus. Wie geht Rupert mit diesen frustrierenden Erfahrungen um? „Es ist ganz wichtig, sich abgrenzen zu können, sonst ist man in diesem Beruf wirklich falsch.“ Für ihn überwiegt aber der positive Aspekt der Arbeit. „Unsere Aufgabe ist die Beratung. Wir erklären, wie das System funktioniert, hören zu. Ja, es ist herausfordernd, aber es ist wichtig, die Menschen nicht damit allein zu lassen und ihnen verständlich zu machen, warum es so ist.
Flexibilität und schnelles Denkvermögen ist ebenso nötig. Zweimal pro Woche besuchen Rupert und seine Kolleg*innen abwechselnd das Anhaltezentrum Vordernberg. „Wir erhalten erst vor Ort die Bescheide, das heißt, wir wissen noch nicht einmal, welche Dolmetschdienste wir benötigen. Oder ein Bescheid ist nicht auffindbar, weil er falsch verschickt wurde.“ Dabei hilft der Austausch mit erfahrenen Kolleg*innen. Auch die Zusammenarbeit mit den Dolmetscher*innen schätzt er sehr. „Sie leisten wirklich tolle Arbeit. Es wäre großartig, wenn es noch mehr gäbe – oder noch besser“, fügt Rupert an und lächelt, „wenn ich die Sprachen könnte.“