Pride: Die Welt bunter machen

In mehr als 60 Ländern werden homosexuelle Menschen strafrechtlich verfolgt. Auch in Österreich sind queer- oder transfeindliche Aussagen keine Ausnahme. Im Pride-Monat Juni geht es darum, auf die Diskriminierung von LGBTQIA+ Personen aufmerksam zu machen und für deren Gleichberechtigung einzutreten. Wir haben darüber mit unserer Menschenrechtsbeauftragten Gudrun Rabussay-Schwald sowie Freizeitbetreuer*innen und LGBTIQ Vertrauenspersonen gesprochen.

Pride-Parade als Höhepunkt des Pride-Month in Wien: Mehr als 300.000 Menschen tanzten am 8. Juni durch die Wiener Innenstadt. Die Stimmung war so sonnig wie das Wetter. Die bunten Regenbogenfarben und schrillen Outfits weisen auf die Rechte für LGBTQIA+ (Lesbian, Gay, Bisexual, Transsexual/Transgender, Queer, Intersexual und Asexual)-Personen hin – und diese sind nach wie vor nicht selbstverständlich. 

In vielen Ländern ist es ein Verbrechen, den falschen Menschen zu lieben – oder besser gesagt, das falsche Geschlecht. In Uganda droht für “schwere Homosexualität” die Todesstrafe. Auch im Iran, in Südsomalia, Mauretanien, Nordnigeria und vielen weiteren Ländern gilt Homosexualität als schweres Verbrechen. Homosexualität ist somit auch ein Fluchtgrund.  In Österreich war Homosexualität bis 1971 strafbar. Bis 2002 gab es Strafen im Zusammenhang mit Homosexualität. Auch heute ist queer- und transfeindliches Verhalten noch gesellschaftlich weit verbreitet. Wie viel Hass LGBTQIA+ Personen auch heute noch erfahren, zeigt sich auf Social Media als auch im realen Leben.

“Diskriminierungen, Anfeindungen und Übergriffe sind leider noch immer an der Tagesordnung – auch bei uns in Österreich, wie Hate Crime Berichte und Anti-Rassismus Reports zeigen. Daher ist es wichtig, dass wir in der BBU eine klare Position beziehen und Diskriminierungen nicht hinnehmen.”
Gudrun Rabussay-Schwald, Menschenrechtsbeauftragte der BBU

Sich der eigenen Vorurteile bewusst werden
Nina Z. ist Freizeitbetreuerin und LGBTIQ Vertrauensperson in der Bundesbetreuungseinrichtung Graz-Andritz. 2023 wurden in Kooperation mit Queer Base Kolleg*innen der verschiedenen Betreuungseinrichtungen dazu ausgebildet. “Wir halten uns oft für emanzipierter, als wir sind”, sagt sie. “Aber wir alle haben Stereotypen und Klischees in unserem Kopf.” Relevant ist, die eigenen Bilder im Kopf zuerst zu erkennen – und dann zu hinterfragen. So sieht es auch Anna-Lena B., zentrale Koordination des LGBTIQ-Programms in der GVS. “Es ist wichtig, dass wir unserer eigenen Vorurteile bewusst werden. Eine zielgruppengerechte Betreuung ist aber keine Haltungsfrage. Wir haben eine klare Verpflichtung die besonderen Bedürfnisse von LGBTI zu berücksichtigen.“

Auch Rechtsberater*innen, Rückkehrberater*innen und Dolmetscher*innen thematisieren in Weiterbildungsprogrammen mit Geschlechterrollen, Geschlechtsidentitäten und Antidiskriminierung.

Nina Z., Freizeitbetreuerin und LGBTIQ Vertrauensperson

"Es wird Niemandem etwas weggenommen, im Gegenteil, die Welt wird nur bunter.”

Raus aus dem Versteck
Die Rechtsberaterin Ulla P. ist Focal Point zum Thema LGBTQIA+ in der Geschäftsstelle Graz. Die Focal Points haben für ihre Spezialisierung mehrere spezifische Module als Fortbildung besucht, um in den Geschäftsstellen auch den Kolleg*innen mit ihrem vertiefenden Wissen zur Seite zu stehen. “Dabei ging es unter anderem darum, wie man ein verspätetes Vorbringen erstatten oder welche Beweismittel man vorbringen kann.  Wichtig ist, die Klient*innen auf Verhandlungen vorzubereiten, in denen sie über ihr Gefühlsleben sprechen müssen. Es können Fragen auftauchen, die ihren höchstpersönlichen Bereich betreffen. In einer Schulung haben wir in Rollenspielen die Sicht der Klient*innen eingenommen, um uns bewusst zu machen, wie schwierig das ist.” Dadurch, so die Rechtsberaterin, erweitere sich das eigene Verständnis.

Ulla P., Rechtsberaterin und Focal Point zum Thema LGBTQIA+

"Wichtig ist, die Klient*innen auf Verhandlungen vorzubereiten, in denen sie über ihr Gefühlsleben sprechen müssen. Es kann zu Fragen kommen, die ihren höchstpersönlichen Bereich betreffen.”

Den Vorwurf, dass sich Menschen bewusst als LGBTQIA+ ausgeben, um leichter Asyl zu bekommen, kann Ulla nicht bestätigen – im Gegenteil. “Wenn überhaupt, dann wird das meist erst in der Bescheidberatung thematisiert. Viele der Menschen kommen aus Ländern, in denen Homosexualität ein kriminelles Delikt ist. Wer so sozialisiert wurde, sagt nicht so einfach, dass er oder sie transgender, schwul oder lesbisch ist. Vielen ist auch gar nicht bewusst, dass das ein Asylgrund ist.”

 

Nina hat ähnliche Erfahrungen. “Ich kann nur über meinen Bereich sprechen – und da gibt es wenige, die oder der sich bewusst als LGBTQIA+ definiert.” Viele Klientinnen und Klienten kommen aus trans- und homophoben Kulturen, einige haben wegen ihres Outings die komplette Familie verloren und wurden auf der Flucht einfach zurückgelassen – diese Menschen tragen kein LGBTQIA+ vor sich her – im Gegenteil. Die Personen gehen damit ein großes Risiko ein und das tun sie nicht, um schnelle Vorteile zu bekommen.

LGBTIQ Vertrauenspersonen
In den Einrichtungen unterstützen die LGBTIQ Vertrauenspersonen Klient*innen, die Hilfe suchen. “Manche Klient*innen sind sich ihrer Identität schon länger bewusst und wollen Anschluss an die Community finden. Diese verweise ich an Stellen wie die Queer Base. Andere wiederum outen sich zum ersten Mal. Sie entscheiden selbst, ob sie weitere Schritte setzen wollen. Es kann auch sein, dass jemand einfach nur reden will, das passt auch.“ Dennoch gibt sie sich keinen Illusionen hin. “Bestimmt gibt es genügend Leute, die sich nicht trauen, mich aufzusuchen. Aber für jene, die es tun, bin ich da.“ Allein dadurch wird klar, dass dieses Thema Platz in unseren Einrichtungen benötigt. Kommt es zu Unverständnis oder auch Angriffen, sucht Nina das Gespräch. “Ich bin froh, dass die BBU sich diesem Menschenrechtsthema annimmt.”

Dass es LGBTIQ Vertrauenspersonen in den Betreuungseinrichtungen braucht, steht für Nina außer Frage. “Es handelt sich um eine vulnerable Gruppe, die gefährdet und schutzbedürftig ist. Dafür sind Safespaces notwendig.“ Das sieht auch Marty Huber so und sie stellt klar: “Es ist keine Konkurrenz zu Schutz anderer vulnerabler Menschen, etwa Kinder. ”Vulnerabilität muss immer gemeinsam bearbeitet werden, das gehört alles zusammen.“

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