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Menschenrechtsbeobachtung

Menschenwürde in Extremsituationen

Asyl ist ein Recht, das an bestimmte Voraussetzungen gebunden ist. Wird das Asyl nicht zuerkannt, müssen die Menschen in ihr Herkunftsland zurück. Unsere Menschenrechtsbeobachter*innen begleiten sie dabei. Es sind heikle Einsätze, bei denen die Kolleg*innen selbst auch in Ausnahmesituationen neutral bleiben müssen. 

“Ich habe mich gewehrt und um mich geschlagen. Ich wollte nicht zurück! Die Polizist*innen haben versucht, mich festzuhalten, ich habe ihnen die Hände zerkratzt.” Hört man diese Geschichte, ist die Verzweiflung nach wie vor spürbar. Erlebt hat das aber keine Frau, die Österreich verlassen musste, sondern unsere Menschenrechtsbeobachterin Irma H.

Kontrollverlust

Sie schlüpfte in einer Schulung des Einsatzkommandos Cobra in die Rolle einer Frau, die in ihr Herkunftsland überstellt wird. “Ich habe mir vorgestellt, dass ich zurück nach Georgien muss, obwohl ich bleiben will und es war unglaublich, ich konnte mich so hineinversetzen“, erzählt die Menschenrechtskoordinatorin. „Die Polizisten haben mir danach gesagt, dass sie die Kratzer noch länger gespürt haben. Mir ist das gar nicht aufgefallen, ich habe richtig die Kontrolle verloren.” Sich in die Rolle der Menschen zu versetzen, die nicht bleiben dürfen, ihre Emotionen wahrzunehmen und sie zu verstehen ist ein Teil von Irmas Job.

Menschenrechtsbeobachterin und -koordinatorin

Irma H.

Menschenrechtsbeobachterin und -koordinatorin

Es ist ein sehr emotionaler und fordernder Job. Trotzdem liebe ich diese Arbeit. Allein unsere Anwesenheit macht bewusst, wie wichtig es ist, in dieser Extremsituation die Menschenrechte und -würde zu wahren.

Sie ist Menschenrechtsbeobachterin. Das heißt, sie begleitet Menschen, die zurück in ihr Herkunftsland müssen und beobachtet, ob die Rückführung korrekt und menschenwürdig erfolgt. Ihre Beobachtungen sind eine wichtige Dokumentation, um Verstöße zu melden und Qualitätsstandards zu sichern.

“Bei meiner eigenen Schulung waren die Beamt*innen vorsichtig und blieben höflich, obwohl ich wirklich aggressiv war.“ Das, so Irma, sei aber nicht nur bei der Schulung so. „Ich konnte bisher feststellen, dass die Beamt*innen sehr respektvoll und professionell sind. Im Vergleich mit anderen Ländern nimmt Österreich bei den Rückführungen eine Vorreiterrolle ein.”

Neutrale Position

Als Menschenrechtsbeobachterin hat Irma die Aufgabe, alle Vorgänge während dem Flug –  der auch Zwischenstopps beinhalten kann – bis zur Ankunft und Übergabe im Herkunftsland zu beobachten und zu dokumentieren. Das heißt, sie darf nicht eingreifen, selbst wenn beispielsweise Beamt*innen den Rückzuführenden gegenüber aggressiv werden würden. “Meine Ansprechperson ist ausschließlich die Leiterin bzw. der Leiter der Rückführung. Halte ich das Verhalten der Beamt*innen für unangemessen, teile ich das ihr oder ihm mit. Die Leitung entscheidet, was weiter passiert. Das liegt nicht in meiner Hand. Ich dokumentiere es aber in jedem Fall“, erklärt Irma. Dass sie nicht selbst einschreiten kann, betrachtet sie als Teil ihres Jobs. “Ich bin neutral und gehöre keiner Seite an. Dementsprechend halte ich mich zurück.“

Doch nicht nur die Menschenwürde der rückgeführten Personen, auch jene der Beamt*innen kann angegriffen werden. “Es ist für die Beamt*innen nicht einfach, die Kontrolle zu behalten, wenn die Menschen, die außer Landes gebracht werden, sie beleidigen, bespucken oder schlagen.” Besonders tragisch ist es, wenn Kinder benutzt werden. “Bei einer Rückführung hat zum Beispiel ein Vater seinen minderjährigen Töchtern gesagt, sie sollen die Polizist*innen attackieren.” Dass die Polizist*innen dennoch respektvoll, vor- und umsichtig reagierten, ist auch der Verdienst der Menschenrechtsbeobachtung, weiß Irma. „Allein unsere Anwesenheit macht bewusst, wie wichtig es ist, in dieser Extremsituation die Menschenrechte und -würde zu wahren.”

Menschenwürde und -rechte

Fixierungen sind möglich, erfolgen aber ausschließlich im äußersten Notfall. “Sie werden nur angewandt, wenn sie zum Schutz des Menschen selbst und der anderen Passagiere nötig sind, sonst aber nicht. Auch Menschen präventiv zu fixieren entspricht weder der Menschenwürde noch dem Menschenrecht. Vor allem führt das erst recht zu Stress und Aggression der Klient*innen.“

Früh ins Bett und reden

Wie geht Irma mit ihrem eigenen Stress um? “Wenn ich zuhause bin, gehe ich früh ins Bett. Ich tausche mich mit meinen Kolleg*innen aus, das hilft auch. Es ist ein fordernder, emotionaler Job. Trotzdem liebe ich diese Arbeit.“

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