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Grundversorgung

Männer beim Kaffeetrinken

Quatschen. Über alles Mögliche und Unmögliche, über Wichtiges und Unwichtiges, über Gott und die Welt. Sich ausweinen, ausschimpfen und vor allem viel lachen. Genau das ist der Sinn eines Café-Treffs. (Wir Frauen wissen das ganz genau! Der Kaffee ist dabei übrigens völlig unwichtig). Genau das ist auch der Grund, warum in unseren Betreuungseinrichtungen Männercafés stattfinden werden. 

Das gemeinsame Lachen ist ein Indikator, dass es funktioniert. Ein anderer ist das laufende Gespräch, das nicht verebbt, auch wenn zwischendurch Pausen stattfinden.

Alle reden mit, alle hören zu. Sie erzählen von ihren Erfahrungen, ihrem Leben früher, von ihren Ängsten und Sorgen über die Zukunft. Männer sind die größte Klient*innengruppe in unseren Betreuungseinrichtungen. Und sie sind es auch, die mit den meisten Vorurteilen zu kämpfen haben.

Umso wichtiger ist es, sie als Individuen wahrzunehmen und “nicht nur durch die Linse traditioneller Geschlechterrollen oder problematischer Annahmen”, wie Marion N. von der GVS-Qualitätssicherung anmerkt.

Auch Männer benötigen Empowerment und Schutzräume, in denen sie Themen gezielt ansprechen können. Das Männercafé bietet die Möglichkeit, dass die Klienten Kontakt zueinander aufbauen.

“Natürlich können sich die Männer auch bei anderen Workshops austauschen“, erklärt Maged K., Betreuungs- und Versorgungsleiter der BBE Schwechat. “Im Gegensatz zu solchen Angeboten folgt das Männercafé aber keinem vorgegebenen Inhalt. Wir geben hier keine Info weiter, es gibt kein übergeordnetes Thema.” Bei dieser tagesstrukturierenden Maßnahme geht es um etwas, das Männer genauso wie Frauen und Kinder betrifft: Gefühle. Wie geht es mir hier? Was sind meine Erwartungen, was sind meine Ängste, welche Hoffnungen habe ich? “Ein Thema bei uns war zum Beispiel der Anschlag in Villach. Die Männer haben von ihren Sorgen erzählt, dass sie deshalb mitverurteilt und gesellschaftlich nicht angenommen werden.”

Weg vom Täter-Narrativ

Solche Gespräche sind wichtig – nicht nur, um den Austausch zu fördern, sondern um den Männern zu verdeutlichen, dass sie einfühlsame (Gesprächs)partner sind, dass ihre Gefühle ernst genommen und respektiert werden – und vor allem: Dass sie darüber sprechen dürfen. “Männer aus patriarchal geprägten Kulturen werden oft vorschnell als potenzielle ,Täter wahrgenommen”, sagt GVS-Experte Michael F. “Um diesem Bild entgegenzuwirken, muss die Arbeit mit Männern auf Vertrauen, Dialog und Wertschätzung basieren.”

„Maßnahmen wie das Männercafé und die Zusammenarbeit mit Männerberatungsstellen sind wichtige Schritte, um Männern Raum für Austausch, Reflexion und Entwicklung zu bieten. Indem wir sie als Partner*innen in der Veränderung sehen, können wir sie darin unterstützen, positive Rollen in Familie und Gesellschaft einzunehmen, ohne auf Klischees oder Vorurteile zurückzugreifen.“ , so Michael.

Damit eine Unterhaltung möglich ist, fand das erste Männercafé in der BBE Schwechat auf Arabisch statt. Sieben Klienten nahmen daran teil. “Es war ein sehr offenes Gespräch, alle waren aktiv und motiviert mitzumachen. Das war daran erkennbar, dass alle gesprochen haben und es Niemanden gab, der ständig redete oder eben nichts sagte.”

Gemeinsam kreativ arbeiten

Ein anderes Konzept des Männercafés verfolgt das Team Tagesstruktur in der BBE Traiskirchen. “Wir haben einen Männertreff eingerichtet, in dem alleinreisende Männer etwas in der Werkstatt herstellen. Derzeit arbeiten wir an Holz-Domino-Steinen, wir wollen aber auch Spielgeräte herstellen“, berichtet Midia W., Fachkraft in der Flüchtlingsbetreuung. “Das kreative Arbeiten fördert die Gemeinschaft und die Gesprächskultur.“

Rückzugsort für alleinreisende Männer

Im Zuge des Männercafés können die Gespräche vertieft werden. Das Team A lädt wöchentlich dazu ein. In dem Raum finden ansonsten Aktivitäten oder Kurse statt. „Das Männercafé ist so etwas wie einen Rückzugsort für die alleinreisenden Männer. Es steht allen offen, eine Betreuungsperson ist auch immer anwesend und kann, wenn nötig, vermitteln“, erklärt Firus S., Betreuungs- und Versorgung-Teamleiter der BBE Traiskirchen. Um spielend ins Gespräch zu kommen, stehen auch Kartenspiele und ein Billardtisch bereit.

Ach ja – und gab es bei den Treffs eigentlich Kaffee? “Unser erstes Männercafé fand im Ramadan statt”, sagt Maged. Aber wir wissen ja: Der Kaffee ist völlig unwichtig.

*Unsere Mitarbeiter*innen sind in einem gesellschaftspolitisch hochsensiblen Bereich tätig. Um sie bestmöglich zu schützen, veröffentlichen wir nicht ihren vollständigen Namen.

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