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Grundversorgung

Für eine stärkere Frauengesundheit

Frauen und Mädchen haben in der Unterbringung, Versorgung und Betreuung oft besondere Bedürfnisse und einen spezifischen Schutzbedarf. Deshalb stehen den Klientinnen an jedem Standort eigene Ansprechpersonen zur Seite. Mitte November fand eine erste gemeinsame Schulung für die neu nominierten Ansprechpersonen statt. 

 

Belastende Fluchterfahrungen

“Eine Klientin war erst 17, sie erzählte von Vergewaltigungen. Sie wurde schwanger. Eine Abtreibung wäre keine Option mehr gewesen, da die Schwangerschaft bereits sehr fortgeschritten war. Ich habe die junge Dame regelmäßig zur Therapeutin begleitet, nachdem sie sich mir anvertraut hat.”

Viele unserer Klientinnen sind alleine und leiden unter den Belastungen ihrer Flucht. Oft sprechen sie nicht darüber, was sie erlebt haben. “Wenn ich bei der Essensausgabe helfe, sehe ich manchmal, wie eine Frau ohne Essen im Raum sitzt und einfach nur weint. Ich gehe dann aktiv auf sie zu„, sagt unsere Kollegin Asma I., Fachkraft in der Flüchtlingsbetreuung.

Schulung in Wien

Bei einer Schulung in Wien lernten unsere Kolleginnen noch mehr über die Förderung von Gesundheit und Gesundheitskompetenzen von Frauen im Fluchtkontext. Trainerinnen vom Verein AFYA, welcher sich die interkulturelle Gesundheitsförderung von Menschen nach der Flucht zum Ziel setzt, begleiteten die Schulung.

„Gemeinsam beschäftigten sich die Teilnehmerinnen mit traumasensiblem Arbeiten, psychoedukativen Interventionen und weiteren niederschwelligen Maßnahmen zur Emotionsregulation und Stressreduktion.
So lernten die Kolleginnen beispielsweise, wie damit umgegangen werden kann, wenn Klientinnen von wiederholenden Alpträumen berichten, oder wie wichtig es ist, die Ressourcen und Selbstwirksamkeit der Frauen und Mädchen zu fördern“, berichtet Anna-Lena B.

Bewegung und Aktivitäten als bewährtes Hilfsmittel

Traumatische Fluchterlebnisse können dazu führen, dass Frauen nachts nicht einschlafen können. Viele haben auch Probleme, darüber zu sprechen.

Wie kann damit umgegangen werden? Unsere Kolleginnen sind sich einig: Aktivitäten sind sehr hilfreich für Frauen, um mit körperlichen und seelischen Belastungen umzugehen. Dazu zählen Beschäftigungsworkshops, Ausflüge und Sport/Übungen.

Asma half etwa einer sehr jungen Frau dabei, die Folgen einer Vergewaltigung zu verarbeiten und professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Spaziergänge und Yoga haben dabei geholfen, dass sie sich langsam öffnete. “An der frischen Luft kann tief ein- und ausgeatmet werden, der Stress kann ”raus“, deshalb hilft Bewegung sehr“, so Asma. “Dabei wird gemeinsam geweint und gelacht. Nach der Bewegung fühlen sie sich leichter und sagen, dass sie besser schlafen können. Nachdem ich nicht immer Abenddienst habe, habe ich die Klientinnen dazu angeregt, weiterhin gemeinsam Bewegung zu machen – was sie nun auch umsetzen. Sie gehen in der Gruppe gemeinsam spazieren – das Waldstück in der Nähe kommt ihnen hier zugute. Es hilft ihnen sehr, Erfahrungen auszutauschen und Bewegung zu machen.“

Den Lebensweg aufmalen

Alexandra R. organisiert in unserer Betreuungseinrichtung in Niederösterreich wöchentlich Frauentreffs. Eine der Möglichkeiten, erlebte und teilweise tief sitzende Gefühle zu erkennen zu verarbeiten, ist das Aufzeichnen eines Lebensbaumes. Alexandra verwendet diese Taktik öfters, um Klientinnen zum Reden zu bewegen.

Dabei werden Steine oder Blumen eingesetzt, um z.B. Geburt, Kindheit, Gegenwart oder Zukunft darzustellen und Erlebnisse mit Gefühlen zu verbinden. Alexandra leitet diese Workshops. Sie bittet die Teilnehmerinnen nach Schilderung ihrer persönlichen Erlebnisse auch darum, zu versuchen, diese Erfahrungen aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Die benannten Gefühle werden am Ende wieder ins Positive umgewandelt, z.B. mithilfe folgenden Fragen: Was hat dir geholfen? Welche neuen Sichtweisen hast du daraus erlernt? Was hast du aus diesen Situationen mitgenommen, welche Stärken haben sich dadurch entwickelt?

Lavendelsäckchen wirken beruhigend

Weitere Hilfsmittel, zb für die Beruhigung bei Alpträumen bzw. Schlafproblemen, sind selbstgemachte Lavendelsäckchen. Im Sommer wurde der Lavendel z.B. in Traiskirchen im ”Garten der Begegnung“ selbst geerntet und die Frauen haben die Säckchen mit alter Kleidung selbst gebastelt. “Das hat ihnen gut getan- sie haben die Säckchen ins Kissen gegeben und haben berichtet, dass sie besser schlafen können. Alle Frauen wollten dann Lavendelsäckchen haben.”, erzählt Alexandra.

Alexandra und Asma führen regelmäßig Näh- oder Bastelworkshops durch, die Spaß machen und den Austausch untereinander fördern sollen.

Grenzen sind wichtig

Unsere Kolleginnen aus der Betreuung leisten viel. Sie setzen sich für andere Frauen ein und geben immer ihr Bestes für das Wohl unserer Klientinnen.

Sie müssen aber auch ihre eigenen Grenzen im Auge behalten. “Viele Frauen wollen meine Nummer haben und fragen, ob sie mich anrufen können – das geht leider nicht und muss ihnen auch kommuniziert werden“, sagt Asma.

Betreuung ist nicht gleich Psychologie

Die Betreuerinnen sind keine Psychologinnen. Sie können nur versuchen, die Klient*innen dazu zu bringen, sich zu öffnen und ihnen mitteilen, wer ihnen weiterhelfen kann – in vielen Fällen sind das unsere Psycholog*innen. “Wenn Frauen sich uns einmal anvertraut haben, machen wir ihnen auch klar, dass wir gewisse Informationen weitergeben müssen, damit wir ihnen wirklich helfen können.”, sagt Asma.

Außer den Freizeitaktivitäten erfolgt – wenn es gerade zeitlich möglich ist – die Begleitung zu diversen Terminen oder Arzt/Ärzt*innenbesuchen, vor allem wenn eine Übersetzung in die Muttersprache unserer Klientinnen notwendig ist. Können die Kolleginnen nicht direkt mitfahren, stehen sie telefonisch unterstützend zur Seite.

Obwohl unsere Kolleginnen zum Teil bereits viele Jahre im Bereich der Betreuung tätig sind, konnten sie bei der Schulung neben dem bereicherndem Erfahrungsaustausch viele Tipps viel für ihre praktische Arbeit mitnehmen und freuen sich schon auf die nächsten Termine.

Danke an unsere Kolleginnen in der Grundversorgung für die Organisation der Schulungen und danke an Alexandra und Asma für die Einblicke in die Betreuung von Frauen!

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