Credit: Martin Darling, Pride Village 2019

Pride ist für uns mehr als ein Modebegriff

Der Juni stand in der BBU im Zeichen der LGBTQIA+Community. Der “Pride Month” macht darauf aufmerksam, dass LGBTQIA+ Menschen nach wie vor mit Vorurteilen und Ungerechtigkeiten konfrontiert werden. In vielen Ländern werden sie verfolgt. Umso wichtiger ist ein sensibler und wertschätzender Umgang, den sie bei uns in der BBU erfahren.

Franz Doms wurde verfolgt, diskriminiert, inhaftiert und wurde wegen seiner “widernatürlichen Triebe” zum Tode verurteilt. Mit 21 Jahren verstarb er 1944 im Hinrichtungsraum. Sein Schicksal steht für viele Homosexuelle während des Nationalsozialismus – und für all jene, die in ihren Ländern nach wie vor Verfolgung, Bestrafung, Ausgrenzung und im schlimmsten Fall vor dem Tod stehen.

Lieben, wen man will

Zu lieben, wen man will und sein zu dürfen, wer man sein will, ist nicht selbstverständlich. Deshalb gilt es, tagtäglich dafür einzutreten, auch bei uns in der BBU.

Aman Sharma ist einer, der das tut. Er ist einer der LGBTQIA+Vertrauenspersonen. 2023 wurden in Kooperation mit Queerbase 23 Kolleg*innen der verschiedenen Betreuungseinrichtungen dazu ausgebildet. “Jeder Mensch braucht eine Bezugsperson, egal wen”, erklärt Aman. “Viele, die zu uns flüchten, haben diese nicht mehr, aber sie haben die Chance, Menschen mit ähnlichen Erfahrungen kennenzulernen. Für LGBTQIA+ Personen ist das viel schwieriger. Sie hatten schon oft in ihrem Herkunftsland niemanden, mit dem sie wirklich sprechen und alles sagen konnten. Für diese Menschen sind wir da.”

Zuhören und Zeit nehmen

Um dieses Vertrauen zu gewinnen, muss Aman eine Beziehung aufbauen. “Der Person muss klar sein, dass sie zu mir Vertrauen haben kann und dass sie bei uns sicher ist.” Man müsse, so Aman, zuhören und sich Zeit nehmen. “Ich gehe auch mit den Klient*innen spazieren, oft fällt das Reden in einer anderen Umgebung leichter. ”

Darüber zu sprechen fällt nicht vielen leicht, vor allem wenn sie aus Ländern kommen, in denen Homosexualität ein Schimpfwort ist.  Nicht nur unsere Grundversorgung, auch in der Unabhängigen Rechtsberatung (URB) und der Rückkehrberatung (RKS) ist man sich dessen bewusst. Umso mehr Wert wird darauf gelegt, dass Kolleg*innen darauf Rücksicht nehmen.

Sensibilisierung

In Schulungen und Fortbildungen werden die Rechtsberater*innen sowie Rückkehrberater*innen in dem Bereich sensibilisiert. Den Dolmetscher*innen fällt ebenfalls eine entscheidende Rolle zu. Auch sie setzen sich in Weiterbildungsprogrammen mit Geschlechterrollen, Geschlechtsidentitäten und Antidiskriminierung auseinander. Doris Helm, stellvertretende RKS-Leiterin und Leiterin des Dolmetschwesen: “Sowohl Rückkehrberater*innen als auch Dolmetscher*innen müssen ein hohes Maß an Sensibilität für die Ängste, Sorgen und inneren Konflikte aufweisen, die mit einer möglichen Perspektivlosigkeit einhergehen können.“

 

Vertrauenspersonen

Im Geschäftsbereich der Grundversorgung (GVS), die für die Betreuung unserer Klient*innen in den Betreuungseinrichtungen zuständig ist, wurde zusammen mit den Führungskräften auf Regional- und Betreuungsebene die Rollenbeschreibung der Vertrauenspersonen erarbeitet. In diesem Rahmen wurden auch sie zu dem Thema sensibilisiert. “Bei der Erstaufnahme wählen Klient*innen zwischen sieben vorgesehenen Geschlechtskategorien gemäß ihrer Selbstidentifikation”, erklärt Anna-Lena Baumeister aus dem Team der Geschäftsbereichsleitung Grundversorgung. “GVS-Betreuer*innen, die vorwiegend für die Erstaufnahme zuständig sind, haben in einer Schulung der Europäischen Asylagentur EUAA ihr Wissen zum Umgang mit Biases (Vorurteilen) und dem rechtlichen Rahmen aufgefrischt.”

 

Wie sieht es mit den eigenen Vorurteilen aus?

Relevant ist, sich mit den eigenen Werten, Anschauungen und möglichen Vorurteilen auseinanderzusetzen. Ein kleines Beispiel gefällig? Wenn wir an einen schwulen Mann denken, haben wir ein bestimmtes Bild im Kopf. Wer sagt, dass dieses Bild stimmt? Nicht jeder Mann, der feminin wirkt oder sich schrill kleidet, ist schwul. Umgekehrt kann eine “typisch männlich” wirkende Person schwul sein.


Wir sind Pride – aber warum? 

Pride ist eben mehr als nur Mode. Aman sieht den Hype, der sich rund um die Pride bildet, durchaus kritisch. “Plötzlich ist alles in Regenbogenfarben, alle finden es toll und sind ,Pride‘ – Wofür aber wirklich gekämpft wird, geht ein bisschen verloren. Viele glauben, sich voll auszukennen und tolerant zu sein, meine Meinung ist allerdings: „Little knowledge is dangerous.“

Die fehlende Information offenbart sich zum Beispiel beim Thema Transgender. Da sind Fragen wie “Willst du jetzt eine Frau sein?” oder “Stehst du jetzt auf Männer oder Frauen?” völlig unangebracht. Sie weisen auf reine Sensationsbegeisterung oder Neugierde hin. Und man stelle sich vor, selbst ständig Auskunft zum eigenen Geschlecht oder zur sexuellen Orientierung geben zu müssen.

“Es wäre schön, wenn es diese Begriffe und Kategorien nicht mehr bräuchte“, findet Aman. “Und wenn wir nicht für etwas kämpfen müssten, das völlig normal ist.”

„LGBTQIA+ Rechte sind Menschenrechte. Die Europäische Menschenrechtskonvention und andere internationalen Konventionen schützen die Rechte der LGBTIQ+ Community. Aber nach wie vor sind sie Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. In vielen Ländern ist es nach wie vor ein Verbrechen, aber auch bei uns gibt es noch genügend Vorurteile und Diskriminierung. Wenn wir uns unsere eigenen Vorurteile bewusst machen, können wir sie auch überwinden.“ 

Gudrun Rabussay-Schwald
Menschenrechtsbeauftragte der BBU

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